dissipative Strukturen

dissipative Strukturen
dissipative Strukturen,
 
von I. Prigogine eingeführte Bezeichnung für solche thermodynamische Systeme und Vorgänge, die sich nicht mehr in der Nähe des thermodynamischen Gleichgewichts befinden beziehungsweise dort ablaufen (und dabei diesem Gleichgewicht zustreben), sondern in einem nur unter fortwährendem Stoff- und Energieaustausch (mit der Umgebung) bestehenden, vom thermodynamischen Gleichgewicht weit entfernten stabilen Zustand existieren, der sich aus einem ursprünglichen instabilen Zustand entwickelt hat, nach einer gewissen Zeit aber stationär (Fließgleichgewicht) oder auch zeitlich und räumlich periodisch ist und dabei dann eine »höhere« Ordnung aufweist. Derartige dissipative Strukturen bilden sich meist infolge Selbstorganisation jenseits von gewissen Instabilitätsschwellen, über die sie durch interne Verstärkung von Fluktuationen gelangen, oder infolge Zusammenspiels von dissipativen Vorgängen (wie sie z. B. bei innerer Reibung vorliegen) und temperaturbeeinflussbaren Kräften (z. B. unterschiedlicher Auftrieb von Fluiden entlang Temperaturgradienten) bei Eintreten eines Gleichgewichts ihrer Wirkungen. Beispiele für dissipative Strukturen sind z. B. die Flamme, die bei ständiger Zu- und Abführung von Materie und Energie selbst zeitlich unverändert bleibt, die offenen Systeme der Biophysik, die wabenartige Struktur der Konvektion beim Bénard-Effekt, bestimmte chemische Reaktionen sowie großräumige atmosphärische und geologische Vorgänge. Die Beschreibung derartiger dissipativer Strukturen kann mithilfe einer v. a. von Prigogine und P. Glansdorff entwickelten nichtlinearen Thermodynamik erfolgen, in der sich auch das Prinzip der extremalen Entropievermehrung als Spezialfall des allgemeineren, sich als Stabilitätskriterium erweisenden Glansdorff-Prigogine-Prinzips für die durch beliebige Störungen hervorgerufene »Exzessentropieproduktion« ergibt. - Die experimentelle Untersuchung wie auch die Theorie der dissipativen Strukturen ist von wachsender Bedeutung für das Verständnis von wichtigen biologischen, morphogenetischen und ökologischen Vorgängen (Synergetik); u. a. hat sie die Evolutionstheorie von M. Eigen stark beeinflusst.

Universal-Lexikon. 2012.

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